Arbeitgeberkündigung im Krankenstand – Fallstricken und Praxistipps
Verfasser: Mag. Georg Wiedmann, 09/24
kanzlei@suppan.eu
Immer wieder taucht im Rahmen unserer arbeitsrechtlichen Beratung die Frage auf, ob ein:e Mitarbeiter:in im Krankenstand vom Arbeitgeber/von der Arbeitgeberin gekündigt werden darf. Die Antwort auf die Frage ist rasch und klar mit „ja“ zu beantworten. Dennoch bestehen in der Praxis immer wieder Stolpersteine, die im Rahmen der Beendigung im Krankenstand zu berücksichtigen sind. Eine Ende Juli ergangene Entscheidung des OGH (OGH 23.07.2024, 9 ObA 54/24t) hat zudem Klarheit zur Frage der Dauer des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankenstand geschaffen. Grund genug, um diesem Thema einen eigenen Beitrag zu widmen:
Krankenstand und Kündigungsgrund:
Ganz grundsätzlich bedarf es nach österreichischem Recht für eine Kündigung keinen Grund. Auch die Kündigung im Krankenstand ist für sich genommen kein verpöntes Motiv. Nur vereinzelt findet man noch kollektivvertragliche Kündigungsbeschränkungen, so etwa im Journalismus-KV (vgl. § 38 Abs 4), der eine Kündigung im Krankenstand erst nach einer gewissen Dauer erlaubt. Die Wartefrist ist wiederum abhängig von den Dienstjahren und beträgt z.B. ab dem 21. Dienstjahr satte 24 Monate.
Praxistipp: Zuerst einen Blick in den einschlägigen Kollektivvertrag blicken und die diesbezüglichen Vorgaben zur Kündigung beachten. Es kann auch sein, dass der Kollektivvertrag längere Kündigungsfristen vorsieht oder zwingende Kündigungstermine vorgibt (z.B. nur quartalsweise).
Zustellung der Kündigung:
Schwierigkeiten können auch im Zuge der Zustellung des Kündigungsschreibens auftreten, zumal der/die Arbeitgeber:in sicherzustellen hat, dass die Kündigung dem/der Arbeitnehmer:in zugeht, da es sich bei einer Kündigung um eine sog. einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handelt. Gelangt das Kündigungsschreiben nämlich nicht in den „Machtbereich des Arbeitnehmers“, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin und ist folglich – mangels Zugang – von keiner wirksamen Kündigung auszugehen.
Mündliche Kündigungen oder persönlich übergebene Kündigungsschreiben gelten als sofort zugegangen. Aus Beweisgründen sollte der/die Arbeitgeber:in hier immer eine weitere Person als Zeuge beiziehen. Das Problem im Krankenstand ist jedoch, dass der/die Arbeitnehmer:in oftmals nicht erreichbar ist. Wird die Kündigung – als Regelfall – per Post versendet, gilt sie dann als zugestellt, wenn der/die Arbeitnehmer:in unter normalen Umständen die Möglichkeit hatte, den Inhalt zur Kenntnis zu nehmen. Es ist nicht notwendig, dass der Arbeitnehmer den Brief tatsächlich öffnet, da sonst die Wirksamkeit der Kündigung nach Belieben des/der Arbeitnehmer:in verhindert werden könnte. Selbst wenn der/die Arbeitnehmer:in die Annahme eines Kündigungsschreibens verweigert oder das hinterlegte Scheiben grundlos nicht abholt, gilt der Brief dennoch als ordnungsgemäß zugestellt und die Kündigungsfrist beginnt zu laufen.
Befindet sich der/die Arbeitnehmer:in jedoch nicht zu Hause, sondern ist etwa zum Zustellzeitpunkt im Krankenhaus oder auf Kur, so kann die Kündigung nicht am Wohnsitz zugestellt werden. Diesfalls müsste die Kündigung im Krankenhaus/Kurort zugestellt werden, wo wiederum sicherzustellen ist, dass das Schreiben auch tatsächlich in den Machtbereich des/der Arbeitnehmer:in gelangt und nicht im allgemeinen Postverkehr einer Krankenhausanstalt verloren geht.
Praxistipp: Da es immer wieder zu Zustellschwierigkeiten kommt, sollte idealerweise nicht am letztmöglichen Tag gekündigt werden. Außerdem sollte die Kündigung per Einschreiben erfolgen, um auch einen entsprechenden Zustellnachweis zu erhalten. In Einzelfällen kann es auch notwendig sein, das Kündigungsschreiben per Botenfahrt zuzustellen. Zusätzlich können – wenn Schriftlichkeit laut Dienstvertrag oder Kollektivvertrag nicht erforderlich ist – auch alle anderen Kommunikationskanäle genutzt werden, also Telefon und Mail oder gar das Fax.
Anspruch auf Krankenentgelt:
Wird ein:e Arbeitnehmer:in gekündigt und begibt sich nach Ausspruch der Kündigung in den Krankenstand, hat er/sie maximal bis zum Ende des Dienstverhältnisses Anspruch auf Krankenentgelt. Die Entgeltfortzahlung wird sohin nicht über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus verlängert.
Wird ein:e Arbeitnehmer:in jedoch während des aufrechten Krankenstandes gekündigt, behält er/sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen/ihren aufrechten Krankenentgeltanspruch während des gesetzlich festgelegten Zeitraums (je nach Dienstzugehörigkeit pro Dienstjahr: 6-12 Wochen volles Entgelt, danach 4 Wochen halbes Entgelt). In diesem Fall verlängert sich also der Entgeltfortzahlungsanspruch allenfalls sogar über das arbeitsrechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus bis zur Erschöpfung des Krankenentgeltanspruchs (§§ 9 Abs 1 AngG, 5 EFZG). Das gilt im Übrigen nicht nur bei Arbeitgeber:inkündigungen, sondern auch bei einvernehmlichen Auflösungen während des Krankenstandes. Unbedeutend ist dabei das Motiv der Beendigung und ob die Initiative zur einvernehmlichen Auflösung vom/von der Arbeitgeber:in, Arbeitnehmer:in oder von beiden Teilen ausgeht (OGH 22.06.2021, 10 ObS 67/21g). Auch in diesem Fall hat der/die Arbeitgeber:in also allenfalls Krankenentgelt über das Dienstverhältnis hinaus zu bezahlen. Zu einer Entgeltfortzahlung kann es über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus auch dann kommen, wenn das Arbeitsverhältnis „im Hinblick auf einen (bevorstehenden) Krankenstand“ einvernehmlich beendet wird, der dem/der Arbeitgeber:in bekannte bevorstehende Krankenstand also das Motiv der Beendigung darstellt.
Im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung hat der OGH nun klargestellt (OGH 23.07.2024, 9 ObA 54/24t), dass der/die Arbeitgeber:in das Krankenentgelt auch über das fiktive Ende des Arbeitsjahres hinaus weiterzahlen muss. Zwar wird hinsichtlich der jeweiligen Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs immer auf das Arbeitsjahr abgestellt („Kontingentsystem“). Dennoch muss der/die Arbeitgeber:in über jenen Tag hinaus weiterzahlen, an dem das letzte Arbeitsjahr des/der Dienstnehmer:in beim Arbeitgeber:in geendet hätte. Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) stelle nämlich nur insoweit auf das Arbeitsjahr ab, als mehrere Krankenstände innerhalb dieser Zeit zusammenzuzählen sind, so die juristische Begründung des OGH.
Das heißt: Ein bereits bestehender Entgeltfortzahlungsanspruch aus einem “alten“ Arbeitsjahr bleibt auch über das fiktive Ende des letzten Arbeitsjahres hinaus aufrecht bestehen.
Gerade bei Kündigungen im Krankenstand ist also besondere Vorsicht geboten. Es lohnt sich daher anhand des Einzelfalls, allfällige finanzielle Folgewirkungen und sonstige Prozessrisiken im Vorhinein juristisch abzuklären. Wir helfen und unterstützen Sie gerne dabei.