Suppan-Spiegl-Zeller-Bis dass die GläubigerIn Euch zusammenführt

Bis dass die GläubigerIn Euch zusammenführt?

Bis dass die GläubigerIn Euch zusammenführt?

Im Schnitt wurden in Österreich 2020 rund 37% der geschlossenen Ehen wieder geschieden. Zumeist einigen sich die EhepartnerInnen, insbesondere dann, wenn das Eheglück lediglich von kurzer Dauer war, auf eine einvernehmliche Scheidung, da diese zügig, kostengünstig und vor allem nervenschonend für alle Beteiligten erfolgen kann.

Die einvernehmliche Ehescheidung setzt voraus, dass die eheliche Lebensgemeinschaft seit zumindest einem halben Jahr aufgehoben ist, die Ehegatten die unheilbare Zerrüttung der ehelichen Verhältnisse eingestehen und Einvernehmen über die Scheidungsfolgen besteht. Die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft setzt allerdings nicht voraus, dass keine häusliche Gemeinschaft der Ehegatten mehr vorliegt, sondern dass die „eheliche Gesinnung“ nicht mehr existiert. Hinsichtlich der Scheidungsfolgen wird dem Gericht entweder mit dem gemeinsamen Scheidungsantrag ein Scheidungsvergleich vorgelegt oder ein solcher Vergleich in der Scheidungsverhandlung ausgearbeitet.

Im Rahmen der einvernehmlichen Scheidung besteht für die Ehegatten die Möglichkeit, auch Regelungen hinsichtlich gemeinsamer Kredite, die ihren Ursprung im Eheleben haben, zu regeln.

 

Dazu folgendes Beispiel:

 

Herr und Frau Mustergatte möchten sich nach nur einem Jahr Eheleben scheiden lassen. Sie haben gemeinsame Kredite, welche u.a. für die Ehewohnung und deren luxuriöse Einrichtung aufgenommen wurden. Da sie sämtliche Voraussetzungen für eine einvernehmliche Ehescheidung erfüllen und außerdem Sorge haben, dass ein kostspieliges Scheidungsverfahren länger andauern könnte als ihr Eheglück, beschließen sie die einvernehmliche Scheidung zu beantragen.

Die Ehewohnung soll nach der Ehescheidung von Herrn Mustergatte weiter bewohnt werden und auch in sein Alleineigentum übergehen. Im Gegenzug möchte Frau Mustergatte allerdings aus dem gemeinsamen Kreditvertrag entlassen werden, weil sie verständlicherweise nicht einsieht, weshalb sie für das Eigentum ihres Ex-Partners zahlen oder haften soll. Doch dann die Ernüchterung: Die kreditgebende Bank verweigert die Entlassung von Frau Mustergatte aus dem gemeinsamen Kreditvertrag, weil sie in Zeiten der Pandemie einen Zahlungsausfall des selbständigen Herrn Mustergatte befürchtet. Die Empörung ist groß und die Gesprächsbasis zwischen Herrn und Frau Mustergatte scheint endgültig zu kippen. Eine von Herrn Mustergatte vorgeschlagene „interne Haftungsübernahme“ ist für Frau Mustergatte ungenügend, möchte sie doch zukünftig nichts mehr mit Herrn Mustergatte zu tun haben.

Dann erfahren sie von der Möglichkeit einer „Ausfallsbürgschaft“ im Zuge einer Scheidung, womit ein Ehegatte praktisch aus der Kredithaftung entlassen und für Frau Mustergatte zukünftig kein finanzielles Risiko bestehen würde. So einfach könnte es also gehen – oder?

 

Die Ausfallsbürgschaft nach § 98 EheG

Auf Antrag der Ehegatten binnen einer Frist von einem Jahr nach rechtskräftiger Ehescheidung kann das Gericht aussprechen, dass derjenige Ehegatte, der sich im Innenverhältnis zur Zahlung verpflichtet, Hauptschuldner des gemeinsamen Kredits der Ehegatten und der andere Ehegatte Ausfallsbürge/in wird. Voraussetzung hierfür ist, dass (bisher) beide Ehegatten für den Kredit haften und dieser mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen im Zusammenhang steht. Demnach kann die Ausfallsbürgschaft nicht für Geschäftsschulden eines gemeinsamen Unternehmens beantragt werden.

Für unser Beispiel bedeutet das, dass die Bank ihre Forderung gegenüber Frau Mustergatte nur eingeschränkt geltend machen kann. Frau Mustergatte haftet für den Anspruch der Bank zukünftig nämlich nur mehr dann, wenn die Bank zuvor vergeblich versucht hat, ihre Forderung gegen Herrn Mustergatte geltend zu machen; dies auch im Wege der Exekution. Diese Vorgehensweise unterstreicht das grundsätzliche Subsidiaritätsprinzip in der Bürgschaft: Der/die BürgIn soll erst dann zahlen, wenn der/die HauptschuldnerIn nicht zahlen kann.

Doch bekanntermaßen bestätigen Ausnahmen die Regel und sieht das Bürgschaftsrecht diese Ausnahmen auch ausdrücklich vor. In Abweichung vom Subsidiaritätsprinzip kann die Bank ihre Forderung unmittelbar gegen Frau Mustergatte geltend machen, wenn Herr Mustergatte (i) unbekannten Aufenthalts ist oder (ii) über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Das bedeutet: Sollte zB über das Vermögen des selbständig tätigen Herrn Mustergatte das Insolvenzverfahren eröffnet werden, muss sich die Bank nicht mehr primär an Herrn Mustergatte halten, sondern kann ihren Anspruch unmittelbar gegen Frau Mustergatte als (Ausfalls-)Bürgin geltend machen. Dies wird für die Bank dann interessant sein, wenn Frau Mustergatte wirtschaftlich potent ist und die Verwertung der Eigentumswohnung – wenn die Forderung überhaupt mit einer Hypothek besichert ist – aus welchen Gründen auch immer, nicht für die Tilgung des Anspruchs ausreicht.

Das Insolvenzverfahren ihres Ex-Mannes wird für Frau Mustergatte aber spätestens dann zu einem finanziellen Supergau, wenn sie versucht, sich zu regressieren. Die bei Herrn Mustergatte am Ende des Insolvenzverfahrens eintretende Restschuldbefreiung gilt nämlich nicht nur gegenüber seinen Insolvenzgläubigern, sondern auch gegenüber Bürgen und sonstigen Rückgriffsberechtigten. So hat sich Frau Mustergatte den Abschied von Herrn Mustergatte wohl nicht vorgestellt!

Die Ausfallsbürgschaft nach dem Ehegesetz ist zwar ein guter Anfang für eine Haftungseinschränkung des scheidenden Ehegatten, führt aber unter Umständen nicht zum gewollten Ergebnis. Insbesondere im Zusammenhang mit nachehelichen vermögensrechtlichen Beziehungen ist eine Scheidung oftmals ein komplexes Unterfangen, welches eine umfangreiche rechtliche Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Betroffenen erfordert. Für Fragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

SSZ-Adm1n-2019