Die islamische Brautgabe nach österreichischem Recht


Verfasser: Mag. Emre Ünal, LL.M., 12/24
kanzlei@suppan.eu


 

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in einer aktuellen Entscheidung (8 Ob 88/24k) klargestellt, dass das Versprechen einer sogenannten Brautgabe im Rahmen einer islamischen Heirat in Österreich der Notariatsaktpflicht unterliegt. Die Brautgabe (im Islam mahr genannt) ist eine finanzielle Zuwendung, die insbesondere in der islamischen Kultur eine zentrale Rolle bei der Eheschließung spielt. Die Entscheidung beleuchtet die rechtlichen Anforderungen und die Bedeutung der Formvorschriften bei Eheversprechen mit finanzieller Tragweite.

Im vorliegenden Fall versprach der Ehemann seiner Ehefrau im Jahr 1998 nach der (österreichisch) standesamtlichen und im Zuge der islamischen Eheschließung im Islamischen Zentrum in Wien unter anderem im Beisein zweier Zeugen sowie des zuständigen islamischen Geistlichen (Imam) in einer schriftlichen Heiratsurkunde als zukünftige Brautgabe ein jordanisches Dinar und ein Kilo Gold als Nachzahlung.

Unter Berufung auf das Versprechen des Mannes und die Heiratsurkunde forderte die Frau nach der Scheidung der Ehe im Jahr 2022 die Übergabe des Goldes bzw alternativ die Zahlung dessen Geldwertes in Höhe von EUR 54.254,71. Dieser Forderung kam der Mann nicht nach, weshalb die Frau eine Klage einreichte, die in der ersten Instanz wegen Formungültigkeit der Rechtsgrundlage (Heiratsurkunde) abgewiesen, der jedoch nach einem Rechtsmittel der Frau in zweiter Instanz stattgegeben wurde. Die zweite Instanz sah in der gegenständlichen Brautgabe nämlich keine Brautgabe im Sinne der österreichischen Rechtsordnung, die freiwilligen Charakter hat, sondern eine Verpflichtung, deren Erfüllung Bedingung nach islamischen Recht ist. Tatsächlich hatte die Frau ihren Anspruch unromantisch auch damit begründet, sie wäre die Ehe niemals eingegangen, hätte der Mann die Leistung des Goldes nicht zugesichert. Die islamische Brautgabe sei eine Vereinbarung von eigener Art (sui generis), die nach den Regeln des österreichischen Rechts formfrei und im vorliegenden Fall damit gültig zustande gekommen sei.

Der Mann, der an der für ihn positiven Entscheidung der ersten Instanz festhielt, zog schließlich vor den OGH und erhielt Recht:

Aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs

Der OGH führte aus, dass bereits zum Zeitpunkt des Versprechens 1998 gemäß § 1 Abs. 1 lit. a Notariatsaktsgesetz bestimmte Verträge, die erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen, nur dann rechtswirksam sind, wenn sie in Form eines Notariatsakts abgeschlossen wurden. Dazu zählen insbesondere auch Eheversprechen, die eine finanzielle Verpflichtung beinhalten.

Die Richter hoben hervor, dass diese Formvorschrift dazu dient, die Parteien vor übereilten Entscheidungen zu schützen und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die Nichteinhaltung dieser Vorgabe führte dazu, dass das Versprechen der Morgengabe rechtlich nicht durchsetzbar war.

Der bloße Umstand, dass die Brautgabe auf dem islamischen Glauben beruht oder in islamischen Gewohnheiten wurzelt und somit im islamischen Recht eine religiöse Verpflichtung darstellt, ändert nichts daran, dass es sich um eine freiwillige Zuwendung eines Ehegatten nach österreichischem Zivilrecht handelt, die nicht ohne die erforderliche notarielle Beurkundung wirksam ist.

Das Urteil unterstreicht, wie essenziell es ist, die gesetzlichen Formvorschriften einzuhalten, um spätere Konflikte und Unsicherheiten zu vermeiden. Besonders in Fällen, in denen kulturelle oder traditionelle Praktiken eine Rolle spielen, empfiehlt es sich, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen. So können Betroffene sicherstellen, dass ihre Vereinbarungen nicht nur den rechtlichen Anforderungen entsprechen, sondern auch im Streitfall Bestand haben.

Ob Formpflicht oder nicht– unser Team unterstützt Sie gerne bei der gültigen Abwicklung Ihrer Rechtsgeschäfte, damit diese auch Jahrzehnte später durchsetzbar sind.

SSZ-Adm1n-2019