Kürzung der Geschäftsraummiete im Lockdown
In seiner Entscheidung zur Geschäftszahl 39 R 27/21s bejahte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien nunmehr erstmals die Anwendung der §§ 1104ff ABGB im Zusammenhang mit behördlich ausgesprochenen Betretungsverboten für Geschäfte/Betriebe und erstmals, dass es sich bei Covid-19 um eine „Seuche“ und damit um einen außerordentlichen Zufall im Sinne des § 1104 ABGB handelt, welcher unter bestimmten Umständen eine Mietzinsfreistellung vorsieht. Die anhaltende Diskussion um die Zulässigkeit der Mietzinsfreistellung bzw. -reduktion durch den Bestandnehmer während behördlich angeordneter Betretungsverbote für Geschäfte/Betriebe dürfte damit zunächst beendet sein.
Ein Rechtszug an den Obersten Gerichtshof ist in diesem Fall nicht mehr möglich und diese Entscheidung nicht mehr anfechtbar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Frage noch an den Obersten Gerichtshof herangetragen wird und bleibt abzuwarten, ob er diese Rechtsprechungslinie aufgreifen wird.
Der Entscheidung ist ebenfalls zu entnehmen, dass die Gebrauchsmöglichkeit objektiv (gemessen am jeweiligen Vertragszweck) beseitigt oder eingeschränkt sein muss. Sofern und soweit also eine eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des Bestandobjektes möglich ist (wie etwa im gegenständlichen Fall, wo die Nutzung der Lagerräumlichkeiten der Buchhandlung weiterhin möglich war) kommt nur eine Mietzinsreduktion im Ausmaß der nicht nutzbaren Teile des Bestandobjektes in Betracht.
Weiters interessant ist die Klarstellung des Landesgerichts, das der Bestandnehmer auch nicht zur Inanspruchnahme staatlicher Hilfeleistungen (wie vorliegend etwa dem Fixkostenzuschuss) verpflichtet ist.
Im Ergebnis wird damit dem Bestandgeber die sogenannte Preisgefahr übertragen. Für außergewöhnliche Zufälle im Sinne des § 1104 ABGB, worunter auch Covid-19 zu subsumieren ist, trägt somit der Bestandgeber das Risiko.
Bis zu einer endgültigen höchstgerichtlichen Klärung ist Bestandnehmern von Geschäftsräumlichkeiten/Betrieben anzuraten, in Zeiträumen behördlich angeordneter Betretungsverbote den Miet- oder Pachtzins unter Vorbehalt der Rückforderung zunächst (zumindest im Ausmaß der bestehenden Nutzungsmöglichkeiten) zu bezahlen und nicht voreilig den gesamten Mietzins einzubehalten, sofern mit dem Bestandgeber vorab keine Einigung über eine Mietzinsreduktion erreicht werden kann. Andernfalls setzt sich der Bestandnehmer dem Risiko einer Mietzins- und Räumungsklage aus.
Insgesamt lässt sich aus dieser Entscheidung kein genereller Anspruch auf Mietzinsentfall unter Berufung auf § 1104 ABGB ableiten. Hier muss in jedem Einzelfall der Mietvertrag sorgfältig geprüft werden.
Gerne sind wir Ihnen bei der Prüfung Ihres konkreten Bestandvertrages behilflich und beraten Sie über Ihre rechtlichen Möglichkeiten.