Verliebt, verlobt, verheiratet, zerstritten und (fast) geschieden – Auswirkungen auf ein Testament zu Gunsten des Ehepartners

Claudia-Spiegl
Verfasserin: Mag.a Claudia Spiegl, 09/24
kanzlei@suppan.eu


 

In Österreich endet fast jede dritte Ehe in einer Scheidung. Konkret lag die österreichweite Scheidungsrate im Jahr 2023 bei 36,1%. Im Zusammenhang mit dieser hohen Scheidungsraten haben sich die Gerichte zuletzt auch mit erbrechtlichen Fragen auseinandergesetzt. Mit folgendem Sachverhalt musste sich der OGH (OGH 28.05.2024, 2 Ob 71/24s) kürzlich auseinanderzusetzen:

Eine Frau und ihr damaliger Lebensgefährte gingen im Jahr 2016 eine Beziehung ein, sie lebten getrennt und sahen sich am Wochenende. Der Lebensgefährte errichtete im März 2017 eine letztwillige Verfügung, nach welcher die Frau sowohl sein Haus in Tirol, als auch das Guthaben zweier Schweizer Bankkonten erhalten soll. Im Jahr 2020 gingen die beiden die Ehe ein und wohnten gemeinsam im Haus in Tirol.

Zwei Jahre später wurde auf Antrag der Ehefrau ein Betretungsverbot gegen den Ehemann verhängt, da er ihr gegenüber handgreiflich wurde. Kurz darauf wurde auch die Scheidungsklage von der Ehefrau eingebracht. Noch vor Abschluss des Scheidungsverfahrens verstarb der Ehemann.

Der OGH hatte zu klären, ob die letztwillige Verfügung des Ehemanns zugunsten der Ehefrau weiterhin Gültigkeit hat.

Gemäß § 725 Abs 1 ABGB werden letztwillige Verfügungen, mit welchen der/die Partner:in bedacht wird, durch die Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten aufgehoben, es sei denn, dass die verstorbene Person ausdrücklich das Gegenteil angeordnet hat. § 725 Abs 2 ABGB enthält eine Zweifelsregel für den Fall, dass ein gerichtliches Verfahren zur Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft eingeleitet wurde. Auch in diesen Fällen wird der Widerruf der letztwilligen Verfügung vermutet. Dies spiegle gemäß dem Gesetzgeber den Willen einer verstorbenen Person wider. Etwas Gegenteiliges müsste in der letztwilligen Verfügung zumindest angedeutet sein.

Im konkreten OGH-Fall vertrat die Ehefrau jedoch den Standpunkt, dass dies so nicht gelten könne, weil der verstorbene Ehemann die letztwillige Verfügung schon vor der Eheschließung errichtet hat und er auch die Schuld an der Zerrüttung der Ehe trug. Dem Ehemann sei es im Rahmen der letztwilligen Verfügung also gerade nicht auf den Umstand einer aufrechten Ehe angekommen, sodass die gesetzlichen Vermutungsregeln nicht greifen würden.

Den OGH überzeugte diese Rechtsansicht nicht. Wie schon 2021 entschieden, (OGH 05.08.2021, 2 Ob 76/21x) hält er fest, dass die Grundsätze auch für letztwillige Verfügungen gelten, die vor einer Eheschließung errichtet wurden, da die Ehe grundsätzlich die Fortsetzung einer bereits bestehenden Nahebeziehung ist. Betreffend der Schuldfrage führte der OGH aus, dass nach § 725 Abs 2 ABGB für die Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung auch völlig irrelevant ist, ob die verstorbene Person oder die bedachte Person das Verfahren zur Auflösung der Ehe eingeleitet bzw. veranlasst hat. Abzuleiten ist daraus, dass die letztwillige Verfügung auch unabhängig davon aufgehoben wird, wer für das Scheitern der Beziehung die Verantwortung trägt.

Ein kleines Trostpflaster gab es trotzdem für die Ehefrau: Da die Ehe zum Zeitpunkt des Todes noch aufrecht war, behielt die Ehefrau zumindest ihr gesetzliches Erbrecht und damit immerhin einen Teil des Verlassenschaftsvermögens.

Zusammengefasst heißt das:

Errichten Sie vor oder während Ihrer Ehe ein Testament zugunsten Ihres Partners/Ihrer Partnerin, dann wird dieses, sofern Sie nicht explizit im Testament etwas Gegenteiliges verfügen, bereits mit Einleitung des Scheidungsverfahrens unwirksam, egal ob das Testament vor oder nach Eheschließung errichtet wurde und unabhängig davon, wen ein etwaiges Verschulden an der Scheidung trifft.

Wir empfehlen, Überlegungen dahingehend anzustellen, dass bereits während dem Scheidungsverfahren der/die Ehegatt:in auf den Pflichtteil (1/2 Erbportion) gesetzt werden könnte bzw. bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes enterbt werden sollte.

In Anbetracht der hohen Scheidungsraten sollten sich verlobte Paare – wenngleich zugegebenermaßen nicht wirklich romantisch aber sicherlich vernünftig – auch bereits vor der Eheschließung Gedanken über allfällige finanzielle (erbrechtliche) und unterhaltsrechtliche Konsequenzen einer Scheidung machen. Rechtssicherheit kann hier ein Ehevertrag geben, in dem die scheidungsrechtlichen Folgen bereits vorsorglich vor der Eheschließung getroffen werden können.

Wir beraten und unterstützen Sie gerne dabei, eine passende und rechtssichere Lösung zu finden und stehen Ihnen sowohl in familien- und scheidungsrechtlichen, als auch in erbrechtlichen Angelegenheiten zur Verfügung.

SSZ-Adm1n-2019