Arbeitsrechtliche Steuerungselemente während COVID-19
Viele ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen sind derzeit mit zahlreichen arbeitsrechtlichen Fragestellungen konfrontiert. Wir haben uns die wichtigsten arbeitsrechtlichen Steuerungselemente zu Home-Office, Urlaub oder Sonderbetreuungszeit angesehen und für Sie zusammengefasst.
(Stand 31.08.2020)
1. Homeoffice – Steuerungsinstrument zur Krisenbewältigung während COVID-19
Kann der/die ArbeitgeberIn den/die ArbeitnehmerIn einseitig zum Home-Office verpflichten oder hat der/der ArbeitnehmerIn sogar Anspruch auf Home-Office ?
Home-Office (=Teleheimarbeit) ist einerseits von der vertraglich vereinbarten Tätigkeit und andererseits von den konkret verfügbaren, technischen Voraussetzungen abhängig.
Zuerst empfehlen wir einen Blick in den Arbeitsvertrag bzw. den anwendbaren Kollektivvertrag und eine allfällige Betriebsvereinbarung, um festzustellen, ob dort bereits Regelungen für Home-Office beinhaltet sind.
Findet sich keine Vorab-Regelung so gilt grundsätzlich, dass eine Vereinbarung über Home-Office abgeschlossen werden muss. Diese Vereinbarung muss nicht unbedingt schriftlich getroffen werden, aber prinzipiell vom Willen beider Vertragspartner getragen sein. Eine schriftliche Vereinbarung ist allerdings zu empfehlen und sollten darin die Rahmenbedingungen, die Dauer und Beendigungsmöglichkeiten des Home-Office geregelt werden.
Home-Office ist daher zwar grundsätzlich einvernehmlich zu vereinbaren, allerdings kann eine solche Vereinbarung auch nicht ohne Konsequenzen in jedem Fall abgelehnt werden, sondern ist auf die jeweiligen Interessen des/der ArbeitgebersIn und des/der ArbeitnehmersIn Rücksicht zu nehmen.
Home-Office kann insbesondere während der Quarantäne des/der ArbeitnehmersIns nach dem Epidemiegesetz vereinbart werden, da diese Maßnahme dessen/deren Arbeitsfähigkeit nicht berührt.
Kommt beispielsweise der ArbeitnehmerIn dem Wunsch des/der ArbeitgebersIn auf Abschluss einer Home-Office-Vereinbarung grundlos nicht nach, kann dies einen personenbezogenen Kündigungs(rechtfertigungs)grund darstellen.
Bietet der/die ArbeitgeberIn dem/der ArbeitnehmerIn Home-Office an, weil dieser/diese Angehöriger einer Risikogruppe iSd § 735 ASVG ist, so hat dieser – bei sonstigem Entfall seines Freistellungsanspruchs unter Entgeltfortzahlung – dieses Angebot anzunehmen.
Ein Recht auf Home-Office ist wohl denjenigen/diejenigen ArbeitnehmernInnen zuzusprechen, die nicht nur der Risikogruppe angehören, sondern auch ein Recht auf tatsächliche Beschäftigung haben (z.B. ArbeitnehmerInnen in Ausbildung).
In Betrieben mit Betriebsrat gilt: Home-Office ist – wenn zumindest 13 Wochen dauernd und nicht bereits im Arbeitsvertrag vereinbart – arbeitsrechtlich als dauernde Versetzung einzustufen und einem allenfalls bestehenden Betriebsrat mitzuteilen.
Welche Arbeitsmaterialien muss der/die ArbeitgeberIn seinem/seiner ArbeitnehmerIn zur Verfügung stellen? Hat der/die ArbeitnehmerIn bei Verwendung eigener Arbeitsmittel Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen?
In der Theorie hat der/die ArbeitgeberIn die Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen und hat auch die durch Home-Office anfallenden Kosten (Strom, Druckerpatronen etc.) zu tragen. Sofern darüber keine einvernehmliche Regelung erzielt werden kann, könnte es aus praktischer Sicht für den/die ArbeitnehmerIn schwierig sein nachzuweisen, in welcher Höhe derartige Kosten tatsächlich aufgelaufen sind.
Keine Pflicht des/der ArbeitgebersIn besteht zur Einrichtung des Arbeitsplatzes, sprich Arbeitstische, Arbeitsflächen und Sitzgelegenheiten sind vom/von ArbeitnehmerInnen bereitzustellen.
Jeweils abweichende Regelungen können – solange sie nicht sittenwidrig sind – vereinbart werden. Sittenwidrig wäre etwa die Vereinbarung, dass der/die ArbeitnehmerIn seinen/ihren privaten PC verwenden muss und dafür keinerlei Kostenersatz erhält.
Ist ein Unfall im Home-Office ein Arbeitsunfall?
Für die Dauer von Maßnahmen nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz gilt der Aufenthaltsort während des Home-Office als Arbeitsstätte und sind Unfälle, die sich im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen als Arbeitsunfall zu qualifizieren. Darunter fallen nunmehr auch diverse Wegunfälle (zB Arztwege) oder Unfallereignisse iZm der Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse (zB WC-Besuch, Nahrungsaufnahme), die sich während der Arbeitszeit im Home-Office ereignen.
Diese Bestimmung ist auf Versicherungsfälle, die sich ab 11. 3. 2020 ereignet haben, anwendbar und gilt bis 31.12. 2020.
Unsere Kanzlei steht Ihnen gerne bei der Ausarbeitung von individuellen Home-Office-Vereinbarungen zur Verfügung.
2. Wann trifft den/die ArbeitgeberIn keine Entgeltfortzahlungspflicht und welche Auskunftsrechte hat er?
Reisen ins Ausland und Veranstaltungsbesuche
Keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben ArbeitnehmerInnen, wenn sie infolge von einer Krankheit oder einem Unglücksfall an der Erbringung ihrer Arbeitsleistung verhindert sind, wenn sie diese vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig herbeigeführt haben.
Ab wann handelt aber der/die ArbeitnehmerIn grob fahrlässig? Infizieren sich ArbeitnehmerInnen bei einer Reise in ein Land mit bestehender Reisewarnstufe mit Covid-19 bzw. befinden sich danach in Quarantäne, können ArbeitgeberInnen die Zahlung des Entgelts für die Dauer des Krankenstands bzw. der Quarantäne uU aussetzen, wenn das Antreten der Reise als grob fahrlässiges Verhalten eingestuft werden kann.
Als rechtlich nicht verbindlicher Richtwert – ohne, dass es bisher dazu eine höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt – haben Ministerin Aschbacher und die Sozialpartner nunmehr klargestellt, dass ein Entfall der Entgeltfortzahlung eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) oder eine Reisewarnung (Sicherheitsstufe 6) voraussetzt.
Wichtig! Aktuell steigende Zahlen und die laufenden Medienberichte erreichen jeden sorgfältig handelnden ArbeitnehmerInnen, sodass auch jedem klar sein muss, dass bei einer schnellen Ausbreitung des Virus ganze Gebiete abgeriegelt werden können und dadurch verspätete Rückreisen und ein verspäteter Dienstantritt den/die ArbeitgeberIn nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichten.
Nach Veranstaltungsbesuchen ist für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung aufgrund einer Covid-19 Erkrankung ausschlaggebend, ob ArbeitnehmerInnen an einer Veranstaltung teilnehmen, obwohl ihnen vorab bewusst war, dass die rechtlich maximal zulässige Personenanzahl überschritten werden wird.
Nehmen ArbeitnehmerInnen an ausländischen Festivals teil, die nach österreichischem Recht nicht stattfinden dürften und infizieren sich dabei bzw. werden danach unter behördliche Quarantäne gestellt, haben sie keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist eine solche Quarantäne als sonstiger Dienstverhinderungsgrund einzustufen und scheidet daher ein Entgeltfortzahlungsanspruch schon bei leichter Fahrlässigkeit aus. Dabei können sich ArbeitnehmerInnen auch nicht auf die Bestimmung des § 1155 Abs 3 ABGB berufen, wonach ArbeitgeberInnen zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sind, weil diese Bestimmung nur jene ArbeitnehmerInnen schützen will, die kein Verschulden an der behördlich angeordneten Quarantäne trifft.
Auskunftsrecht des/der ArbeitgebersIn bzw. Meldepflicht des/der ArbeitnehmersIn ?
Wenn dem/der ArbeitnehmerIn nicht bereits vor Reiseantritt die dortige Gefährlichkeit bewusst war, muss dieser im Sinne seiner Treuepflicht gegenüber dem/der ArbeitgeberIn spätestens nach seiner Rückkehr über eine mögliche Infektion informieren.
Unterlässt der/die ArbeitnehmerIn dahingehende Informationen oder antwortet auf die Frage des/der ArbeitgebersIn bewusst wahrheitswidrig, kann dies von einer gerechtfertigten Entlassung bis hin zu Schadenersatzansprüchen des/der ArbeitgebersIn führen, wenn aufgrund einer tatsächlichen Erkrankung des/der ArbeitnehmersIn der Betrieb geschlossen werden muss.
Der/Die ArbeitgeberIn kann bei der Rückkehr von ArbeitnehmernInnen aus dem Urlaub eine schriftliche Bestätigung darüber verlangen, dass sich der/der ArbeitnehmerIn nicht in einem Risikogebiet aufgehalten hat.
Wird ein solcher Aufenthalt bejaht, darf der/die ArbeitgeberIn überdies die Vorlage eines negativen Covid-19 Tests verlangen. Verweigern ArbeitnehmerInnen einen solchen Test und bevorzugen den Antritt einer Quarantäne, so entfällt in dieser Zeit der Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Kann der/der ArbeitnehmerIn aufgrund einer Reisewarnung von einer Urlaubsvereinbarung zurücktreten?
Solange der Zweck des Urlaubskonsums gewahrt bleibt, besteht kein Recht des/der ArbeitnehmersIn auf einseitigen Rücktritt von der zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen notwendigen Urlaubsvereinbarung. Ob besondere Gründe doch dazu berechtigen, weil man beispielsweise in einem Quarantäne-Gebiet wohnhaft ist, wird in jedem Einzelfall zu klären sein.
Wir beraten Sie gern bei Detailfragen und analysieren mit Ihnen gemeinsam die Handlungsmöglichkeiten im jeweiligen Einzelfall.
3. Gestaltungsrecht des/der ArbeitgebersIn für Urlaub und Zeitausgleich
Betretungsverbote bzw. Einschränkungen des eigenen Betriebes
Wurde behördlich ein Betretungsverbot verordnet, ist der/die ArbeitgeberIn zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, was ihm/ihr dadurch erleichtert wird, dass ihm/ihr in dieser Zeit ein mehrfach begrenztes einseitiges Gestaltungsrecht eingeräumt wird, das auch die Auswahl, wann und was (Zeitausgleich oder Urlaub) verbraucht wird, beinhaltet.
Zeitlich begrenzt ist dieses Sondergestaltungsrecht vorerst bis 31.12.2020 – solange behördliche Maßnahmen bestehen – und gilt nur dort, wo die Entgeltfortzahlungspflicht gemäß § 1155 Abs 3 1. Satz ABGB besteht. Umfänglich begrenzt ist es in der Form, dass grundsätzlich der „Alturlaub“ abzubauen ist und aus dem laufenden Urlaubsjahr maximal zwei Wochen, insgesamt maximal acht Wochen, verbraucht werden müssen.
Unterschied zu geregelten Urlaubsverbrauch durch Betriebsvereinbarung?
Im Rahmen der Einführung von Kurzarbeit kann in einer Betriebsvereinbarung der Verbrauch von Alturlauben sowie Zeitguthaben der/die ArbeitnehmerInnen geregelt werden. Grundsätzlich besteht dabei aber weder eine Einschränkung hinsichtlich der Herkunft des Zeitausgleichs (z.B. Sabbatical) noch für eine Höchstdauer für Zeitausgleich und Urlaub, was in der Praxis jedoch aufgrund der Mitwirkung der Betriebsräte nicht überspannt werden wird.
Auch zu diesem Thema beraten wir Sie gern hinsichtlich der individuellen Vereinbarungen und Möglichkeiten.
4. Verdachtsfall – Maßnahmen – Einseitige Anordnung einer Maskenpflicht
Verdachtsfall
Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist eine COVID-19-Erkrankung gleich einer jeden anderen Arbeitsunfähigkeit („Krankenstand“). Der/Die ArbeitnehmerInnen hat daher grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach den gesetzlichen Bestimmungen.
Als Verdachtsfall gilt jene Person, die Symptome und Beschwerden einer akuten Atemwegserkrankung aufweist und in den 14 Tagen vor Auftreten der Symptome Kontakt mit einem bestätigen Coronavirus-Fall hatte oder eine besonders gefährdete Region besucht hat.
Bis zum Zeitpunkt eines – positiven oder negativen – Testergebnisses bietet unter anderem die AUVA einen Maßnahmenkatalog bei Verdachtsfällen und das Arbeitsinspektorat ein Handbuch für einen Covid-sicheren Arbeitsplatz.
Rangfolge für die Einleitung von Maßnahmen
Mit Ausbruch der Pandemie wuchs auch die Fürsorgepflicht des/der ArbeitgebersIn, insbesondere die Verpflichtung Schutzmaßnahmen zu treffen, wobei stets das gelindeste und trotzdem als Schutz ausreichendes Mittel zur Anwendung kommen soll, nach dem folgenden „STOP Prinzip“:
- Substitution (Ersetzen) der Gefahrenquelle durch z.B. Home-Office
- Technische Maßnahmen, wie das Einziehen von Zwischenwänden, Plexiglas-Trennscheiben
- organisatorische Vorkehrungen zur Einhaltung von Mindestabständen zwischen Personen
- Persönliche Maßnahmen, wie das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung (Maskenpflicht)
Anordnung Maskenpflicht
Betreffend die einseitig (vom/von ArbeitgeberIn) angeordnete Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes gilt die Covid-19-Lockerungsverordnung. Gemäß §3 Abs 2 Covid-19-LVO ist die vereinbarte Verpflichtung zum Tragen von Mund-Nasen-Schutz in Bereichen, wo dies nicht ohnehin aufgrund anderer Rechtsvorschriften verpflichtend erforderlich ist, nur im Einvernehmen zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen zulässig.
Sofern daher für den gegenständlichen Arbeitsbereich aktuell keine (gesetzliche) Maskenpflicht besteht, bedarf es dafür grundsätzlich der Zustimmung des/der ArbeitnehmersIn.
Unsere Kanzlei steht gerne für die Abstimmung geplanter (bzw. allenfalls auch bereits umgesetzter), genereller und individueller Maßnahmen zur Verfügung.
5. Sonderbetreuungszeit gemäß § 18b AVRAG
Vereinbarung Sonderbetreuungszeit
Dem österreichischen Arbeitsrecht bereits bekannt ist die Pflegefreistellung nach § 16 UrlG, ein der Entgeltfortzahlungspflicht unterliegender berechtigter Dienstverhinderungsgrund für den Zeitraum von grundsätzlich maximal einer Woche, wenn die Pflege eines (am Coronavirus) erkrankten nahen Angehörigen im selben Haushalts notwendig ist.
Darüber hinaus – sprich subsidiär – hat die Bundesregierung im Zuge eines Maßnahmenpakets die Regelung einer Sonderbetreuungszeit in 2 Phasen geregelt, wonach ArbeitnehmerInnen die nicht zur Aufrechterhaltung des Betriebs erforderlich sind, für eine Betreuung von Kindern unter 14 Jahren, von Menschen mit Behinderung sowie von zu pflegenden Angehörigen für die Dauer von bis zu drei Wochen eine bezahlte Dienstfreistellung in Anspruch nehmen können, wenn die Betreuung wegen der Schließung von Schulen oder Kinderbetreuungseinrichtungen oder aus sonstigen Gründen notwendig ist und kein anderer Anspruch auf Dienstfreistellung zur Betreuung besteht.
Die Regelung ist bis 30.09.2020 befristet. Eine Verlängerung ist von der Regierung angedacht.
Schlussendlich bleibt es allein Entscheidung des/der ArbeitgebersIn bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Sonderbetreuungszeit eine solche Freistellung zu gewähren, ein Anspruch des/der ArbeitnehmersIn besteht nicht.
Sonderbetreuungszeit kann „pro Elternteil“ in Anspruch genommen werden, aber nicht „pro Kind“. Beide Elternteile gemeinsam dürfen die Dienstfreistellung nicht in Anspruch nehmen.
Der/Die ArbeitgeberIn ist verpflichtet das Vorliegen der Voraussetzungen zu überprüfen. Es ist daher eine schriftliche Vereinbarung, welche einerseits das Vorliegen der Voraussetzungen für die Sonderbetreuungszeit sowie Ausmaß und Dauer festhält, empfehlenswert.
Vergütungsanspruch des/der ArbeitgebersIn
Für den/die ArbeitgeberIn besteht ein Anspruch auf eine Vergütung von 1/3 des während dieser Zeit an den/die ArbeitnehmerIn bezahlten Entgelts durch den Bund. Er muss den Vergütungsanspruch bei der Buchhaltungsagentur bis 31. 10. 2020 geltend machen.
Alle Details zur Förderung entnehmen Sie der Webseite der Buchhaltungsagentur
sowie der Richtlinie Sonderbetreuungszeit COVID-19.
Unsere Kanzlei steht Ihnen gerne bei der Formulierung der Vereinbarung von Sonderbetreuungszeiten zu Verfügung.