Wem kommt der Erbteil der erbunwürdigen Ehegattin zugute?
Verfasser: Mag. Georg Wiedmann, 03/24
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In der Entscheidung 2 Ob 169/23a setzte sich der Oberste Gerichtshof mit der Repräsentation einer erbunwürdigen Ehegattin auseinander.
Dem Sachverhalt liegt folgende Ausgangslage zu Grunde:
Der Verstorbene hinterließ seine Ehegattin, zwei gemeinsame Söhne und aus einer vorherigen Ehe drei Töchter, sohin gesamt fünf Kinder.
Es gab keinen gültigen letzten Willen des Verstorbenen und daher kam es zur gesetzlichen Erbfolge.
Die gesetzlichen Erfolge ist die Familienerbfolge, nach welcher die Verwandten und, falls vorhanden, die hinterbliebene Ehegattin bzw. der hinterbliebene Ehegatte des Verstorbenen bzw. der Verstorbenen das hinterlassene Vermögen erben. Die Verwandten werden in 4 sogenannte Parentelen eingeteilt. Die Einteilung erfolgt nach dem Grad der Verwandtschaft zur verstorbenen Person und erben grundsätzlich die nächsten noch lebenden Verwandten neben der Ehegattin bzw. dem Ehegatten.
Im konkreten Fall würde die erste Parentel (hier: die fünf Kinder) neben der Ehegattin zum Zug kommen. Gesetzlich geregelt ist, dass die Ehegattin neben der ersten Parentel ein Drittel des Nachlasses erbt. Die restlichen 2/3 würden den 5 Kindern zu gleichen Teilen zufallen, konkret würde jedes Kind also 2/15 des Nachlasses erben.
Im vorliegenden Fall stand jedoch die (noch nicht festgestellte) Erbunwürdigkeit der Ehegattin im Raum.
Erbunwürdig ist, wer gegenüber dem Verstorbenen bzw. der Verstorbenen schwere Verfehlungen begangen hat. Die festgestellte Erbunwürdigkeit führt zum gesetzlichen Ausschluss solcher Personen vom Erbrecht.
Bei der Verwandtenerbfolge kommt es im Fall, dass das Erbrecht eines grundsätzlich erbberechtigen Verwandten ausgeschlossen ist, z.B. weil vorverstorben oder erbunwürdig, zur sogenannten Repräsentation. Das ist das Recht eines Nachkommen, in der gesetzlichen Erbfolge an Stelle seines/ihrer nicht erbenden Vorfahren/Vorfahrin dessen/deren Anteil zu erben. Die Nachkommen einer erbunwürdigen Person treten in diesem Fall bei der gesetzlichen Erbfolge an seine/ihre Stelle (§ 542 ABGB).
Welche Folgen hätte die Erbunwürdigkeit der Ehegattin? Würde ihr Erbteil auf alle fünf Kinder aufgeteilt oder komme es zur Repräsentation iSd § 542 ABGB und fiele ihr Erbteil nur den gemeinsamen beiden Söhnen zu? Diese Fallkonstellation ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt.
Das Erstgericht ging davon aus, dass für den Fall, dass die Erbunwürdigkeit der Ehegattin festgestellt worden ist, deren Erbportion nur den beiden gemeinsamen Söhnen von Ehegattin und Verstorbenen zufällt.
Das Rekursgericht und der Oberste Gerichtshof waren anderer Meinung.
Der Oberste Gerichtshof setzte sich intensiv mit der Bestimmung des § 542 ABGB auseinander, die das Eintrittsrecht bei Erbunwürdigkeit regelt und hat diese dahingehend teleologisch reduziert, dass er die Möglichkeit der Repräsentation eines erbunwürdigen Ehegatten durch die leiblichen Kinder verneint. Daher kommt gegenständlich eine allenfalls frei gewordene Erbportion der Ehegattin allen fünf Kindern zugute und nicht nur ihren beiden leiblichen Kindern.
Das gegenständliche Verfahren wird zur Klärung der Erbunwürdigkeit vor dem Erstgericht fortgesetzt. Soviel ist allerdings bereits jetzt klar: Erben ist und bleibt eine diffizile Angelegenheit, in der eine rechtzeitige Regelung im Zuge eines letzten Willens manchmal Klarheiten schaffen kann.
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