EuGH: Verjährung von Urlaub – verschärfte Hinweispflicht für Arbeitgeber:in

Kurz nach Sommerbeginn lässt auch die Ferien- und Urlaubszeit nicht mehr lange auf sich warten.  Damit werden aus arbeitsrechtlicher Sicht auch Themen des Urlaubsrechtes wieder aktuell.

Nach den Bestimmungen des österreichischen Urlaubsgesetzes verjährt der Urlaub, wenn er gem. § 4 Abs. 5 UrlG nicht innerhalb von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, konsumiert wird (z.B. ein am 01.06.2020 entstehender Urlaubsanspruch verjährt nach Ablauf des 31.05.2023). Eine vertragliche Verkürzung der Verjährungsfrist oder die Vereinbarung von Verfallsfristen ist beim Urlaubsanspruch unzulässig.

In einer unlängst ergangenen Entscheidung klärte der EuGH über Obliegenheiten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Verjährung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers auf.

Im deutschen Ausgangsverfahren der Rechtssache C-120/21, LB begehrte eine Arbeitnehmerin von ihrem Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine finanzielle Vergütung für den von ihr in den vergangenen Jahren nicht konsumierten Jahresurlaub, wobei die Frage der Verjährung aufgeworfen wurde.

Bereits in der Vergangenheit hatte der EuGH ausgesprochen, dass der/die Arbeitgeber:in verpflichtet sei, dafür zu sorgen, dass der/die Arbeitnehmer:in tatsächlich in der Lage ist, den bezahlten Jahresurlaub konsumieren, indem er/sie – erforderlichenfalls förmlich – aufgefordert wird, dies zu tun, und ihm/ihr klar und rechtzeitig mitgeteilt wird, dass der Urlaub, wenn er/sie ihn nicht konsumiert, am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn dies in einen solchen Zeitraum fällt, verfallen wird (Rechtssache C-619/16, Kreuziger).

Der EuGH setzte seine Rechtsprechung in diesem Sinne fort. Er betonte, dass der/die Arbeitgeber:in zwar ein berechtigtes Interesse daran habe, nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontiert zu werden, die auf mehr als drei Jahre vor Antragstellung erworbene Ansprüche gestützt werden (Anm: Die Verjährungsfrist für Urlaubsansprüche nach deutschem Recht beträgt anders als in Österreich drei Jahre ab Ende des jeweiligen Urlaubsjahres).

Gleichzeitig wies der EuGH darauf hin, dass dieses Interesse dann nicht mehr berechtigt sei, wenn der/die Arbeitgeber:in den/die Arbeitnehmer:in nicht in die Lage versetzt hat, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen und sich dadurch selbst in eine Situation gebracht hat, mit solchen Anträgen konfrontiert zu werden und aus der er/sie zulasten des/der Arbeitnehmer:in Nutzen ziehen könnte.

Letztlich hob der EuGH hervor, dass es in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens am Arbeitgeber liege, gegen späte Anträge wegen nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs dadurch Vorkehrungen zu treffen, dass er/sie seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten gegenüber dem/der Arbeitnehmer:in nachkommt.

Versetzt der/die Arbeitgeber:in  den/die Arbeitnehmer:in nicht durch Erfüllung dieser Obliegenheiten in die Lage, den Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, ist eine Berufung auf eine Verjährung des Urlaubsanspruchs somit nicht möglich.

Der OGH versuchte trotz Bestehens der EuGH-Judikatur in der Vergangenheit an der national geregelten Verjährungsfrist festzuhalten (vgl. OGH 9 ObA 88/20m: Verjährung trotz fehlender Aufforderung). Im Lichte der nun einhelligen Judikatur des EuGH ist dies in Zukunft jedoch kaum mehr vorstellbar.

Conclusio:

Um tatsächlich eine Verjährung des Urlaubsanspruchs eintreten zu lassen, müssen Sie als Arbeitgeber:in Ihre Mitarbeiter:innen daher rechtzeitig über die bevorstehende Urlaubsverjährung sowie das Ausmaß der von der Verjährung bedrohten Urlaubstage informieren, sodass noch ausreichend Zeit für einen allfälligen Urlaubsverbrauch verbleibt. Aus Beweiszwecken empfiehlt es sich, dies schriftlich vorzunehmen bzw. zu dokumentieren.

 

Sollten Sie als Arbeitgeber:in oder Arbeitnehmer:in Fragen im Zusammenhang mit arbeits- und/oder urlaubsrechtlichen Themenstellungen haben, stehen wir Ihnen gerne beratend zur Verfügung.

 

Verfasser: Mag. Georg Wiedmann, 06/2023

SSZ-Adm1n-2019