Richtiges Verhalten auf der Skipiste – FIS-Regeln einfach erklärt

Die Semesterferien stehen vor der Tür. Für viele, vielleicht auch Sie, bedeutet dies ab in die Berge und auf die Skipiste.

Aufgrund des fortschrittlichen Skimaterials und zunehmenden Geschwindigkeiten auf der Skipiste, sowie den klimabedingt oftmals schwierigen Pistenverhältnissen, kam es zuletzt zu zahlreichen Skiunfällen.

Derartige Vorfälle führen zwangsläufig auch zu zunehmenden juristischen Auseinandersetzungen, beispielsweise mit Unfallkontrahent:innen oder Versicherungen. Gestritten wird u.a. darüber, wer einen medizinisch bedingten Hubschraubereinsatz zu bezahlen hat, wenn die Versicherung nicht einspringt. Wer haftet für allfällige Operationen aus einem Pistencrash und wer übernimmt meinen Verdienstentgang, wenn ich aufgrund eines Skiunfalls als Selbstständige:r nicht arbeiten kann?

All diese Fragen stehen meist damit im Zusammenhang, ob sich die jeweils betroffene/involvierte Person korrekt auf der Piste verhalten hat, wobei hier vorrangig von der Einhaltung der „FIS-Regeln“ die Rede ist.

Doch was sind FIS-Regeln eigentlich, wie lauten sie und muss ich mich daran halten?

Im Grunde gelten die FIS-Regeln als Pistenregeln. FIS steht für Fédération Internationale de Ski und ist die Abkürzung für den internationalen Skiverband.

Bei den FIS-Regeln handelt es sich weder um ein verbindliches Gesetz noch um Gewohnheitsrecht. Jedoch beurteilen Gerichte das Verhalten von Wintersportler:innen bei Zusammenstößen und Unfällen anhand der FIS-Regeln und wird ihnen damit quasi-gesetzliche Bedeutung verliehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH enthalten sie eine Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des alpinen Skisports im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind.

Zweck ist es – wie auch im Straßenverkehr – unter dem Gebot der Rücksichtnahme, Unfälle zu vermeiden. So darf darauf vertraut werden, dass sich die übrigen Wintersportler:innen an die FIS-Regeln halten (Vertrauensgrundsatz). Durch Rechtsunkenntnis kann ein sorgfaltswidriges Verhalten nicht entschuldigt werden.

Für den bevorstehenden Winterurlaub dürfen wir Ihnen zur Auffrischung nun nachfolgend die wichtigsten FIS-Regeln erläutern:

1. Rücksichtnahme auf die anderen Skifahrer und Snowboarder

– Jeder Skifahrer und Snowboarder muss sich so verhalten, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt.

So sind Skifahrer:innen und Snowboarder:innen auch für die Folgen einer mangelhaften Ausrüstung verantwortlich. Insbesondere sind sie für eine korrekt eingestellte Skibindung verantwortlich.

2. Beherrschung der Geschwindigkeit und der Fahrweise

Jeder Skifahrer und Snowboarder muss auf Sicht fahren. Er muss seine Geschwindigkeit und seine Fahrweise seinem Können und den Gelände-, Schnee- und Witterungsverhältnissen sowie der Verkehrsdichte anpassen.

Bei schlechter Piste und/oder Sicht muss langsam gefahren werden. Als zu schnell hat der OGH bereits 30 km/h bei harter Kunstschneepiste mit eisigen Stellen beurteilt.

3. Wahl der Fahrspur

Der von hinten kommende Skifahrer und Snowboarder muss seine Fahrspur so wählen, dass er vor ihm fahrende Skifahrer und Snowboarder nicht gefährdet.

Im Zusammenhang mit dieser Regel sind meist Sachverständige involviert, da die Beurteilung bei einem Zusammenstoß, wer vordere bzw. hintere Beteiligte war, oft nicht einfach zu beantworten ist.

4. Überholen

Überholt werden darf von oben oder unten, von rechts oder von links, aber immer nur mit einem Abstand, der dem überholten Skifahrer oder Snowboarder für alle seine Bewegungen genügend Raum lässt.

In der Regel geht die Rechtsprechung von zwei bis drei Metern Abstand zum Überholten aus.

5. Einfahren, Anfahren und hangaufwärts Fahren

Jeder Skifahrer und Snowboarder, der in eine Abfahrt einfahrt, nach einem Halt wieder anfährt oder hangaufwärts schwingen oder fahren will, muss sich nach oben und unten vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann.

Der Stehende hat also gegenüber dem Fahrenden Nachrang.

6. Anhalten

Jeder Skifahrer und Snowboarder muss es vermeiden, sich ohne Not an engen oder unübersichtlichen Stellen einer Abfahrt aufzuhalten. Ein gestürzter Skifahrer oder Snowboarder muss eine solche Stelle so schnell wie möglich freimachen.

Diese Verhaltensregel nimmt insbesondere Bezug auf Snowboarder:innen, welche auf der Piste sitzen. Es ist aber auch untersagt etwa an unübersichtlichen Stellen oder unmittelbar nach schwer einsehbaren Hangneigungen stehen zu bleiben.

7. Aufstieg und Abstieg

Ein Skifahrer oder Snowboarder, der aufsteigt oder zu Fuß absteigt, muss den Rand der Abfahrt benutzen.

Der „Rand der Abfahrt“ ist einzelfallbezogen. Es hängt davon ab, wie breit die Piste im Bereich der Aufstiegspur ist. Ein Kreuzen der Piste durch Skitourengeher:innen bei höherer Hangneigung ist daher unzulässig.

8. Beachten der Zeichen

Jeder Skifahrer und Snowboarder muss die Markierung und die Signalisation beachten.

Im Kreuzungsbereich sieht man oft „Slow-Tafeln“ („Langsam Fahren“).

9. Hilfeleistung

Bei Unfällen ist jeder Skifahrer und Snowboarder zur Hilfeleistung verpflichtet.

Unter Umständen kann die unterlassene Hilfeleistung strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Das Im-Stich-Lassen eines Verletzten oder die Unterlassung einer Hilfeleistung ist mit Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 1 Jahr bedroht.

10. Ausweispflicht

Jeder Skifahrer und Snowboarder, ob Zeuge oder Beteiligter, ob verantwortlich oder nicht, muss im Falle eines Unfalles seine Personalien angeben.

Eine juristisch durchaus spannende FIS-Regel, zumal für österreichische Staatsbürger:innen im Staatsgebiet grundsätzlich keine allgemeine gesetzliche Ausweispflicht besteht.

11. Après-Ski

Die FIS-Regeln selbst statuieren kein Alkoholverbot.

Allgemein bekannt ist, dass der Konsum von Alkohol die Konzentrationsfähigkeit vermindert und die Reaktionszeit verlängert. Obwohl es auf der Piste keine Promillegrenze, wie etwa im Straßenverkehr gibt, kann ein Unfall unter Alkoholeinfluss qualifizierte strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und selbstredend zur zivilrechtlichen Haftung im Anlassfall führen.

12. Helmpflicht

Die FIS-Regeln normieren keine Helmpflicht.

Interessant zu wissen ist jedoch, dass für Minderjährige bis zum vollendeten 15. Lebensjahr während der Wintersportausübung in sieben Bundesländern (Ausnahmen sind Tirol und Vorarlberg) eine Helmpflicht gilt.

Das Nichtragen eines Schutzhelms kann jedenfalls bei unter 15-Jährigen zu einem Mitverschulden bezüglich Unfallfolgen führen. In der Lehre wird zum Teil auch (analog dem Fahrradfahren) die Auffassung vertreten, dass altersunabhängig das Tragen eines Schutzhelms der Wintersportler:innen zur üblichen Sorgfalt gehört und eine Nichteinhaltung in Bezug auf ein Mitverschulden zu berücksichtigen ist.

Wir hoffen, dass sie mit unserem FIS-Update für die bevorstehenden Skitage (juristisch) gut gerüstet sind und wünschen erholsame Tage.

 

Verfasser: Mag. Georg Wiedmann, 01/23

SSZ-Adm1n-2019